Ist die Vertragsvariante Fluch oder Segen – und für wen?
Der Earn-Out wird als Teil des Abschluss-Deal bei M&A Transaktionen in der Logistik Branche immer häufiger genutzt – ein Segen für Verkäufer? Schließlich behalten sie so ein Optionsrecht an zukünftigen Erfolgsgrößen. Doch ist ein Earn-Out wirklich die bessere Alternative zu klassischen Unternehmensverkäufen mit Einmalzahlungen? Welche Risiken und Probleme ergeben sich aus den augenscheinlichen Vorteilen – und wie lassen Sie sich erfolgreich umgehen?
Gegenüberstellung vorab: Earn-out versus Einmalzahlung
Begrifflich eventuell verwirrend, spielt es bei einer Einmalzahlung keine Rolle, ob der Kaufpreis tatsächlicher in einmaliger Zahlung oder in mehreren Raten bezahlt wird. Entscheidend ist: Ein Verkäufer veräußert sein Unternehmen ohne Optionsrecht an zukünftigen Gewinnen zu einem singulären – also einmaligen -Verkaufspreis. Anders bei einem Earn-Out: Hier wird für das Unternehmen zusätzlich zu einem Basiskaufpreis ein Zusatzkaufpreis vereinbart – der sich aus einem Anteil an zukünftigen Erfolgsgrößen ergibt. Dafür kommen feste Kenngrößen, ereignisbezogene oder kumulative Größen sowie auch variable Werte in Frage.
Mögliche Bezugsparameter für den Earn-Out-Zusatzkaufpreis
Der als Earn-Out festgelegte Zusatzkaufpreis kann sich auf verschiedene betriebswirtschaftliche Größen aus der Gewinn- und Verlustrechnung oder realen Größen aus dem Absatzvolumen beziehen. Möglich sind zudem auch direkte Gewinne aus einer bestimmten Technik, Leistung oder Produktkategorie.
Feste Kenngrößen als Basis für den Earn-Out
Hier kommt neben dem Rohertrag in einer festgesetzten Periode auch der EBIT, der Cash Flow oder der Personalbestand in Frage – sowie natürlich weitere feste Größen mit eindeutigem Kennwert.
Earn-Out aufgrund kumulativer Größen
Für diese Earn-Out-Basis werden Kenngrößen über mehrere festzulegende Perioden vereinbart, über die sie kumuliert werden: Das könnte zum Beispiel der Rohertrag über drei Jahre sein.
Earn-Out auf Basis von variablen Werten
Hier wird der Earn-Out in Abhängigkeit einer sich verändernden Basis festgelegt. Zum Beispiel die prozentuale Entwicklung des EBITs im Vergleich zum Vorjahr.
Ereignisbezogene Größen als Earn-Out-Bezug
Bei dieser Variante wird ein Zusatzkaufpreis dann fällig, wenn ein bestimmtes bei Vertragsabschluss festzulegendes Ereignis eintritt: Das kann zum Beispiel die Steigerung der Kundenzahl oder auch der Verbleib in Gewinn- oder Prestige bringenden Gruppierungen – vielleicht ein Agentennetzwerk – sein.
Die Vorteile eines M&A Deals mit Earn-Out liegen klar auf der Hand – oder eben doch nicht
Auf den ersten Blick scheint klar zu sein, warum der Earn-Out bei M&A Deals in der Logistik Branche ein immer häufiger genutzter Bestandteil der Preisvereinbarungen ist. Doch den vermeintlichen Vorteilen stehe auch immer Risiken und potenzielle Konflikte gegenüber.
Der Earn-Out kann zähe Verhandlungen über den Unternehmenswert ersparen
Zeit, Aufwand und externe Kosten für eine aufwändige beiden Seiten gerecht werdende Unternehmenswertermittlung können bei einem Earn-Out tatsächlich zunächst gespart werden.
Aber: Oft ist dies nur eine aufschiebende Wirkung – die Schmerzen auf beiden Seiten erfolgen einfach später: Nämlich dann, wenn der tatsächlich fällige Zusatzkaufpreis berechnet werden muss. Dann muss sich der Verkäufer zudem „blind“ auf die Richtigkeit der vom Käufer vorgelegten Zahlen verlassen. Es sei denn, er hätte vorab bestens über die Nachvollziehbarkeit verhandelt – was kaum weniger zäh als eine Einigung über den Unternehmenswert bei Vertragsabschluss ablaufen dürfte. Schließlich ist es für Käufer nicht gerade wünschenswert, dem vorherigen Unternehmensinhaber Ergebnisse offenlegen zu müssen. Weitere Schwierigkeiten: die für beide Seiten sinnvolle Größe zu ermitteln, die zu betrachtenden Perioden festzulegen und die Messbarkeit zu garantieren.
Ein Earn-Out kann eine Risikoteilung bei unterschiedlicher Auffassung über die wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen
Gerade bei Start-Ups oder noch nicht etablierten Innovationen kann die wirtschaftliche Entwicklung zum Verkaufszeitpunkt noch nicht definitiv analysiert werden. Da kann dann eine spätere periodische Auswertung der tatsächlichen Ergebnisse für beide Seiten tatsächlich sinnvoll sein.
Aber: Entweder hat der Verkäufer nach Abtritt seines Unternehmens keinen Einfluss mehr auf die zukünftige Ertragskraft – da ist Streit um die Verantwortung für nicht wie angenommen erfolgte Ergebnisse vorprogrammiert. Oder der Verkäufer verbleibt nach dem Verkauf zumindest für die Earn-Out Periode noch in massgeblicher Position – das schränkt jedoch den Gestaltungsspielraum für den Käufer wesentlich ein: ein häufiges K.O.-Kriterium für den Unternehmensverkauf überhaupt.
Der Verkäufer kann durch den Earn-Out einen besseren Verkaufspreis erzielen – der Käufer die Zahlung stunden
Gerade Ereignis bezogene Größen bieten dem Verkäufer die attraktive Aussicht an zukünftigen Gewinnen – besonders, wenn dieses bei Verkauf noch nicht eindeutig analysierbar waren. Gleichzeitig muss der Käufer weniger Mittel für den Basiskaufpreis aufwenden – und kann für die Zahlung des Zusatzkaufpreises auf später erzielte Gewinne zurückgreifen.
Aber: Das Risiko für den Verkäufer liegt hier besonders in einer zu kurzen Periode für den Gewinnermittlung – eventuell kann der Käufer den Gewinn dann ohne eigenen Verlust hinauszögern. Für ihn ergibt sich dennoch ebenfalls Risiko: Entwicklen sich andere Größen nicht wie gewünscht, fällt der Gesamtgewinn nicht entsprechend aus – dann droht durch die Stundung eine verspätete Verschuldung.
Fazit zum Earn-Out: Aufwändiger als auf den ersten Blick – Segen nur bei professioneller Ausarbeitung
Es zeigt sich: Earn-Out-Verhandlungen sind nur oberflächlich zielführend bei Kaufpreis- und Bewertungsdiskrepanzen – denn sie verlagern Aufwand und Konfliktpotenziale häufig lediglich nach hinten. Soll die Earn-Out-Regelung seriös sein und auch später nicht zu Streit führen, bedarf es auch hier bereits im Vorfeld einer intensiver Verhandlung sowie Ausarbeitung der Nachvollziehbarkeit während der Laufzeit. Unternehmensverkäufer sollten sich von dem vermeintlich geringeren Risiko nicht blenden lassen und auch bei einem Earn-Out auf die individuelle und vorausschauende Unterstützung eines M&A Experten zurückgreifen.
Dennoch lassen sich generell drei Empfehlungen ableiten:
Die Earn-Out-Regelung eignet sich am besten für Verkäufer, die noch für eine gewisse Zeit im Unternehmen verbleiben und denen so eine Einflussnahme auf wirtschaftliche Entwicklungen zugestanden wird.
Insbesondere Ereignis bezogene Earn-Outs scheinen zu besseren Ergebnissen zu führen.
Neben der Ermittlung der richtigen Größe müssen unbedingt auch die richtige Analyseperiode sowie die Nachvollziehbarkeit vertraglich garantiert werden.
So kann der Earn-Out echter Segen statt verspäteter Fluch sein – jedenfalls für den Verkäufer.